02.02.2003: Ev. Gottesdienst aus Frankfurt
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21.10.2001: Kath. Gottesdienst aus Bingen    
     
Predigt: In Gottes Nähe sein
     
Ich mag Giovanni Guareschis Don Camillo. Nicht nur, daß mich sein Kleinkampf mit dem kommunistischen Bürgermeister Peppone belustigt, nicht nur daß mir dabei immer das unverwechselbare Gesicht des Schauspielers Fernandel ins Gedächtnis kommt, ich mag diesen Don Camillo deshalbliebe Schwestern und Brüder hier in der Basilika und an den Bildschirmenweil er auf so unnachahmliche Weise mit seinem Gott redet - und weil er vom Christus auf dem Hochaltar auch eine für alle verständliche Antwort bekommt. Und insgeheim wünsche ich mir, so beten zu können: so selbstverständlich, so einfach, so locker - und natürlich mit Antwortgarantie.Ein Wunsch, den ich ja vielleicht mit vielen von Ihnen teile.

Denn Beten hat ja wieder Konjunktur; gerade seit den Ereignissen des 11. September. Da wurde und da wird gebetet: im Gedenken an die Getöteten; gebetet um den Frieden in der Welt; gebetet als Schrei zu Gott. Alles war und ist möglich. Menschen schreiben Bitten an Gott in unser Fürbittbuch und ihre Klagen an unsere Klagewand. Dir Kirche wird sogar zu Zeiten aufgesucht, in denen sie sonst eigentlich leer ist, weil anderes - Sport oder Fernsehen - die Menschen in Beschlag nimmt. - Hin und wieder war dann sogar auch mal die Bemerkung zu hören: "Es ist halt mal so: Not lehrt Beten!"Not lehrt Beten. Und wenn jetzt noch die Antwort Gottes käme - wie bei Don Camillo - unmittelbar, sofort! Das wär's! Was würden wir doch alle zu großen Betern werden.Doch den meisten von uns geht es anders. Sie beten, sie versuchen das Gespräch mit Gott, und warten auf Antwort und warten und warten und warten. "Wenn das Beten sich lohnen tät', was glaubt ihr, was ich beten tät'" singt eine Kölner Rockband und trifft damit die Stimmung der Menschen, auch die der Christen. Denn so denken doch viele heutzutage: Es muß sich doch lohnen - oder - was bringt mir das?Dabei vergessen wir zumeist, daß wir dann doch nicht zu den ganz großen Betern gehören. Wir haben oft ein Anliegen, das tragen wir Gott vor! Einmal, zweimal, dreimal, dann wird's uns schon lästig und wir beginnen zu denken: Jetzt müßte Gott uns doch hören, jetzt müßte er uns doch erhören; ach ja, das Beten, es lohnt sich nicht.So oft unser Handeln.

Die Schriftlesungen heute stellen uns etwas ganz anders vor Augen.Da ist zum einen die Witwe des Evangeliums, die den Richter bestürmt, ihr doch Recht zu verschaffen. Sie weiß, es kommt nicht darauf an Recht zu haben, sondern darauf, Recht zu bekommen. Dafür setzt sie sich ein. Sie will ihr gutes Recht. Und so beginnt sie dem Richter lästig zu fallen. Und siehe da, ihre Taktik hat Erfolg.Sie weiß sich da ja in guter Gesellschaft. Die Bibel ist voll von Menschen, die Gott bestürmt haben, bestürmt bis ans Ende ihrer Kräfte - und darüber hinaus. Abraham ist ein solcher Gesprächspartner Gottes (denken wir doch nur an die Geschichte von den 10 Gerechten in Sodom) und auch Mose, von dem wir in der Lesung hörten. Auch Mose hat ein Anliegen, auch er setzt sich dafür ein, aber er muß erkennen, seine Kräfte reichen nicht aus, sich mit Gott, dem er ja immer wieder von Angesicht zu Angesicht begegnet, zu messen. Da beginnen ihn seine Gefährten Aaron und Hur zu unterstützen. Wortwörtlich! Sie halten ihm die Arme nach oben, wenn die Kraft des Mose zu gering wird. Und gemeinsam gelingt das Unglaubliche, das inständige Gebet, es findet Erhörung, die Amalekiter werden besiegt.Ich habe jetzt schon die Stimmen derjenigen von uns im Ohr, die mir sagen könnten, daß sie nicht nur ein-, zweimal gebetet haben, sondern Jahre, ja jahrzehntelang - und nichts ist geschehen.Doch, liebe Schwestern und Brüder, es ist schon etwas geschehen.Wer über so viele Jahre den Kontakt mit Gott nicht abreißen läßt, wer von diesem Gott nicht läßt, der betet wie Mose, der seinen ganzen Willen wie einen Pfeil auf Gott richtet, von dem er die Entscheidung erwartet.Und solche Gebete gibt es - gibt es sogar häufig: vor einer Operation, im Warteraum vor einer Intensivstation, am Krankenbett eines Kindes, in der schlaflosen Nacht, in der man auf den Partner / die Partnerin wartet. Diese ganz auf Gott ausgerichteten Gebete, von dem man die Entscheidung erwartet, gib es wahrscheinlich in Afghanistan und in Israel, in Nordirland und in den vielen anderen Kriegs- oder auch Hungergebieten der Welt.

Wenn ich mich so auf Gott hin ausrichte, erhalte ich nicht immer, das, was ich will, aber ich komme in seine Nähe - Gott ist mir nicht mehr fern.Mose erfährt diese Nähe Gottes, weil er sich mit erhobenen Händen und mit all seinen Kräften an diesen seinen Gott wendet. Sein "Ich" wird dabei nebensächlich; die Freunde und Vertrauten, die ihn stützen werden schon auf ihn achten, ihm helfen, ihm zur Seite stehen. Das "Du Gottes" wird zur Hauptsache in seinem Denken und Fühlen.

Eine orientalische Geschichte beschreibt das so: Ein junger Mann geht nachts zum Haus seiner Angebeteten und klopft um Einlaß. "Wer ist da?" kommt die Frage von drinnen. "Ich", antwortet der junge Mann. Die Tür öffnet sich im nicht. Nächte später ein neuer Versuch. Er klopft. "Wer ist da?" "Ich" - die Tür bleibt verschlossen. Und über Monate hinweg immer wieder dasselbe. Klopfen! Frage: "Wer ist da?" Und die Antwort: "Ich" - doch die Tür bleibt zu. Wieder wagt er sich eines Nachts an die Tür, wieder fragt sie von drinnen in die Nacht: "Wer ist da?" - Zögernd gibt er zur Antwort: "Du." - Da hört er, wie drinnen der Riegel weggenommen wird.

Liebe Schwestern und Brüder, ich kenne die Logik nicht, nach der die Gebete der einen Erhörung finden und das inständige Bitten der anderen nicht. Ich weiß nicht einmal, ob Beten sich lohnt. Ich weiß nur eines. Wenn ich inständig bete, mein Ich auf das Du Gottes hin ausrichte, dann bin ich in seiner Nähe, dann bin ich nie mehr allein.Don Camillo erfährt das unmittelbar und sofort von seinem Christus auf dem Hochaltar. Und vielleicht ist es ja das, was Theresia von Avila meint, die über viele, viele Jahre im Gebet weder Trost noch Erfüllung gefunden hat, wenn sie uns überliefert: "Gott allein genügt!" - "Solo Dios, basta!"

Pfarrer Gerhard Choquet, Bingen



 


   
     
 




 
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