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30.12.2001: Kath. Gottesdienst aus Osnabrück    
     
Predigt: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen
     
"Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen."
Predigt von Bischof Franz Josef Bode am 30.12.2001 in St. Johann, Osnabrück

Liebe Schwestern und Brüder,

mitten durch unsere idyllischen Weihnachtsbilder vom Stall in Betlehem, mitten durch die friedliche, kleine verborgene Welt der Heiligen Familie von Nazareth blitzt in wenigen Zeilen der Kindheitsgeschichte Jesu das Wort "Ägypten" auf. Es bedeutet nicht das Land, wie wir es heute kennen und das für manche ein beliebtes Urlaubsziel ist. Es bedeutet für sie Flucht, Fremdheit, Angst und Not, Bangen um Leben und Existenz.

Blicken wir nochmals auf den Familienaltar, wo unser Gottesdienst heute begann. Der neugotische Seitenaltar zeigt im unteren Teil auch die Flucht nach Ägypten.
Das traute Bild läßt kaum erahnen, was dieses ›Ägypten‹ für Maria, Josef und Jesus bedeutete: in der Fremde sein, ohne festen Wohnort, auf der Suche nach einer Bleibe, kein Platz von Anfang an. "Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf", heißt es im Johannes-Evangelium.
Erinnern wir uns auch an den ersten Besuch der Familie im Tempel. Der greise Simeon, so heißt es, segnete sie und sagte damals schon über Jesus: "... er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird."
Das zentrale Motiv im Familienaltar zeigt die Heilige Familie im Tempel, nunmehr sind Maria und Josef mit dem Zwölfjährigen da. Wieder sehen wir die Familie dicht beieinander. Das mag idyllisch wirken. Aber vergessen wir nicht seine fast vorwurfsvollen Worte: "Wußtet Ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?" oder später die fast scharfen Worte aus dem Munde des Herangewachsenen: "Wer sind meine Mutter, meine Brüder und Schwestern?" Und: "Frau, was habe ich mit dir zu tun?"
Familie in der Fremde, Familie vielfach in Frage gestellt - so werden sich viele von Ihnen heute mit ihrer Familie erleben: innere und äußere Entfremdungen zwischen Ehepartnern, zwischen den Generationen, Erziehungsprobleme. Viele Kinder zu haben gilt als asozial. Wenn alle Lebensformen gleich-gültig sind, wo liegt der besondere Wert von Ehe und Familie?! Wozu die ganze Last der Familie, wenn es sich als Single auch gut leben läßt?! "Familie in Ägypten", in der Fremde, unter der Last der gesellschaftlichen Entwicklungen, Familie in der Krise!
Und doch über all diesem die unstillbare Sehnsucht aller nach Familie, nach einem Lebensraum, der Geborgenheit und Halt gibt, Sehnsucht, die oft zu hohe Erwartungen hervorbringt und deshalb so zerbrechlich ist. Und doch: die Ruhe, die innere Geborgenheit unseres Altarbildes rührt von woanders her, sie will nichts kaschieren, sondern deutlich machen:
auch in der Fremde, auf der Flucht, in der Krise darf sich diese Familie geborgen wissen unter dem Schutz, unter dem liebenden Blick des Größeren, denn Alltag, Fest, Leid und Tod - im Familienaltar dargestellt in der Zimmermannswerkstatt, bei der Verlobung und dem Tode Josefs - sind umfangen vom Segen des Größeren, vom Schutzmantel der Liebe Gottes. Ja, jede Familie ist mit ihren Schwächen und Stärken, ihren Leiden und Freuden Abbild des lebendigen Lebens des dreifaltigen Gottes selbst in seiner spannenden Einheit in Verschiedenheit.
Der Hochaltar dieser Kirche geht noch weiter. 30 Jahre später: Der Sohn selbst, die Mitte dieser Familie breitet am Kreuz die Hände aus, um alle Spannungen, alle Entfremdungen, alles Leid dieser Welt zu umgreifen, um von allem ›Ägypten‹ zu befreien. Draußen vor der Stadt und zugleich über der Stadt durchlebt er Leid und Tod aller Menschen, damit niemand mehr in Leid und Tod ganz allein sei, sondern auch dort ihm begegnen kann. Und unter diesem Kreuz bildet sich Familie neu. Was an der Krippe begann mit Maria und Josef, mit den Hirten, den Geringen und Verachteten, mit den Suchenden und Ringenden, vollendet sich unter dem Kreuz mit Maria und Johannes und den vielen anderen am Kreuzweg Jesu: die Stammzelle einer neuen Familie aus allen Völkern und Nationen, Schichten und Gruppen, die wir Kirche nennen. Es ist die neue Familie der Gotteskinder, zu der auch wir uns zählen dürfen.
Familie in der Fremde, Kirche unter dem Kreuz, Kirche in der Fremde, in der Krise - und doch gerade in dieser Fremde, in dieser Auseinandersetzung, in ihren inneren und äußeren Bedrohungen und Gefährdungen letztlich doch zu Hause, weil von Gott geliebt (so die Lesung aus dem Kolosserbrief) als Glieder eines Leibes, im Herzen voller Frieden mitten in der Zerrissenheit und Spannung der derzeitigen Weltlage. Ein Gott, der seinen Sohn aus Ägypten ruft, ihm - und damit sich selbst - die Fremde, die Angst und Unsicherheit, die Krise nicht erspart, der wird auch unsere Familien in einer oft familienfeindlichen Umgebung nicht verkommen lassen, sondern ein neues Zuhause denen geben, die ihn in ihrem alltäglichen Leben nicht draußen vor lassen.
"Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen. Euch alle rufe ich mit ihm in meine Freiheit." Liebe Schwestern und Brüder, das Vertrauen darauf begründet die Zukunft unserer Familien! Amen.



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