"Versöhnung in Verschiedenheit?"

Versöhnung ist ein heikles, schwieriges Thema. Selten gelingt sie nach einer zerrüttenden Ehe oder zwischen zwei Freunden, die sich nach einem schwerwiegenden Streit voneinander getrennt haben. Noch seltener zwischen Staaten und Völkern, die seit Generationen eine schmerzvolle Geschichte verbindet, sowie zwischen Deutschen und Tschechen, bei denen die Erfahrungen des 2. Weltkrieges gerade bei der älteren Generation immer noch sehr präsent sind.

Das haben die jüngsten politischen Äußerungen auf beiden Seiten auch gezeigt, die dann schließlich zu der Absage eines geplanten Besuches des deutschen Bundeskanzlers geführt haben. Grabenkämpfe bis heute, die Zeit scheint keine Wunden zu heilen. Es bleiben Hass und Unversöhnlichkeit, Rechthaberei und Schuldzuweisung.

Ein schwieriges Thema auch in der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Prag, zu der sich Deutsche und Tschechen gleichermaßen zählen. Eine junge Auslandsgemeinde mit Gaststatus, die erst nach der Perestroika im Jahr 1992 gegründet wurde und ihren Beitrag zur Versöhnung leisten möchte. Dabei geht es ihr um ein Stück "geistliche Versöhnungsarbeit", die an den Wurzeln der gemeinsamen Tradition der Reformation anknüpft. In der Teilhabe an Brot und Wein ereignet sich Begegnung ohne Schuldzuweisung. Zeichen der Versöhnung Gottes mit allen Menschen.

Dahinter steht keine Tabuisierung der Probleme, jedoch eine andere Form der Auseinandersetzung. Denn die Gemeinde lebt in dem tiefen Vertrauen darauf, dass Gott alte Wunden und Schmerzen heilen kann, ohne neuen Hass und Missgunst zu sähen. Der aufgezeichnete Gottesdienst aus der evangelischen St. Martinskirche in der Mauer wurde gemeinsam mit der Gemeinde und Pfarrerin Anne Hudec-Kröninger vorbereitet. Musikalisch wird er von dem "Art-Ensemble Prag" unter der Leitung von Roman Novak gestaltet. Der theologische Leitfaden soll ein Text aus dem 2. Korintherbrief der Bibel sein, bei dem Paulus die Gemeinde in Korinth zum friedlichen Umgang miteinander in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes ermahnt.

Charlotte Magin, Pfarrerin und Senderbeauftragte beim ZDF